#Nachdenklich 4

Grün oder nicht? Eine Frage der Perspektive!

von Fabian Degen (19. August 2022)

 

Die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen und endlich sind nun vermehrt inhaltliche Debatten zu führen. Ich genieße es sehr dabei auf Themen einzugehen, die mir am Herzen liegen und die ich gerne anpacken möchte, sollte ich denn gewählt werden. Etwas schmunzeln muss ich jedoch immer dann, wenn sich meine Gesprächspartner irritiert zeigen. Mehr als einmal habe ich nun schon zu hören bekommen, dass ich gar kein richtiger Grüner sein. Wo ist denn die Aussage zum Klimaschutz? Was ist mit Politik für Frauen? Wie ist die Meinung zur Atomkraft? Ich muss bei Gelegenheit mal andere Kandidierende fragen, ob sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Die Fragen als solche treffen mich schon manchmal unvorbereitet, weil meine Denkweise dazu eine ganz andere ist und ich dann nicht verstehen kann, dass man sich überhaupt verwundert zeigt. Ich möchte aber versuchen hier mit ein paar Zeilen darzulegen, was ich unter grüner Politik verstehe und warum ich da vielleicht doch ganz gut reinpasse.

In der Vergangenheit hat man die Grünen gerne als klassische Ein-Themen-Partei bezeichnet. Außer Klima und Atom gab es da ja nicht viel. Ich habe persönlich nie verstanden warum es dann keine Zwei-Themen-Partei wäre, aber egal… Mittlerweile haben wir uns aber deutlich weiterentwickelt. Wir sind eine Partei, die einen Führungsanspruch hat und gestalten will. Eine solche Partei muss in der Lage sein alle politischen Felder professionell Bearbeiten zu können und gute Konzepte dafür zu entwickeln. Insofern brauchen wir aber auch Expert:innen für jeden dieser Bereiche. Ich bin eben eher in den Bereichen Wirtschaft und Fördermittel zuhause. Atompolitik, Klimaschutz, Gleichberechtigung und viele weitere Themen sind für mich deshalb aber nicht unwichtig. Wir werden in der kommenden Fraktion allerdings viele gute Politiker:innen haben, die dann auch diese Felder bespielen können, dafür bei Fragen zur Förderpolitik nicht die ersten Ansprechpartner:innen sind. Das ist allerdings auch vollkommen normal und ich habe dann doch wenig Verständnis, warum diese Debatte unsere Partei zumindest gefühlt immer etwas stärker trifft.

Genauso verhält es sich mit der Frage nach dem persönlichen Engagement für Frauen. Welche Ziele verfolge ich denn eigentlich für Frauen? Nun, ich mache definitiv keine Frauenpolitik. Ich mache aber auch definitiv keine Männerpolitik. Ich mache auch keine Politik für Migranten oder oder oder…

Ich denke schlicht nicht in solchen Grenzen. Ich möchte eine Politik gestalten, die sich von Diskriminierung frei macht. Die einzig korrekte Aussage muss daher lauten: Ich mache Politik für alle Menschen. Ich finde die Diskussion zur Gleichstellung ohnehin sehr schwierig in Teilen scheinheilig. Persönlich bin ich bspw. kein Freund von Quoten. Es sollte einzig und allein um die Qualifikation gehen, unabhängig vom Geschlecht oder anderen Faktoren. Ich glaube auch nicht, dass es möglich oder auch nur sinnvoll ist alle Dinge von oben vorzugeben. Vielmehr muss es einen gesamtgesellschaftlichen Willen zur Veränderung geben. Nehmen wir doch einmal die Fußball EM der Damen. Tolles Turnier, tolle Leistung, schlechte Bezahlung. Natürlich kann man jetzt einfach mal beim Endspiel zusehen und parallel Equal Pay fordern. Interessant wäre aber eher, ob man bereit ist auch ein paar Euro für irgendeinen Streamingdienst auszugeben, der dann die Bundesligaspiele der Frauen zeigt oder vielleicht mal ein Trikot von Alexandra Popp kaufen und nicht von Thomas Müller. Es ist immer sehr leicht Veränderung einzufordern, wenn man sich selbst dafür nicht bewegen muss. Leider zu kurz gedacht. Ich denke sowieso, dass die Probleme im Bereich der Gleichberechtigung noch viel tiefer sitzen. Da müssten wir eigentlich mal über Kinderspielzeug, Farben von Klamotten und Rollenbilder in Film und Fernsehen diskutieren. Führt an dieser Stelle zu weit, aber einen Gedanken ist es dennoch wert.

Vielleicht haben diese Zeilen aber dazu beigetragen, die eigentliche Fragestellung vom Anfang etwas zu beleuchten. Für mich ist grüne Politik immer eine gewisse Art gewesen an eine Problemstellung heranzugehen. Grüne Politik denkt nicht nur an heute, sondern an die Auswirkungen von Entscheidungen für das Morgen und Übermorgen. Grüne Politik denkt auch in Zusammenhängen und versucht oftmals nicht nur die Symptome, sondern die Ursache eines Problems zu beheben. Diese beiden Punkte decken sich sehr gut mit meiner Denkweise, weshalb ich mich guten Gewissens als richtiger Grüner bezeichnen kann.



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